„Unsere Strukturen sind immer noch am alten Familienbild orientiert“

Interview zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Frauenkarrieren in den Medien mit Charlotte Karlinder, Moderatorin

Als Redakteurin und Moderatorin bist du sowohl angestellt als auch frei beruflich tätig. Mit zwei Kindern eine große Herausforderung. Wie sind deine Erfahrungen bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Meiner Meinung nach gibt es noch viel Handlungsbedarf. Bei einem Casting für die Moderation einer Sendung wurde mir gesagt: “Wichtig wäre uns, dass Sie nicht zeitlich eingeschränkt sind und es dann immer heißt “Ich muss aber mein Kind von der Kita abholen und kann an der Themenkonferenz nur bis 14 Uhr teilnehmen – so wie es bei Ihrer Vorgängerin war….”.

Generell sind die Arbeitszeiten in der Regel von 9-18 Uhr – und das meist auch vor Ort in der Redaktion. Da gibt es in der Regel gar keine Diskussionen, das Motto war: Take it or leave it. Und von Chefredakteuren hört man häufig: Wenn Frauen Kinder wollen, müssen sie sich eben entscheiden, ob sie zu Hause bleiben – oder arbeiten. Und wenn sie sich für Letzteres entscheiden, dann müssen sie eben auch die Konsequenzen tragen.

Was sind deiner Meinung nach die größten Hürden für Mütter bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit in der Medienbranche?

Familie nimmt immer Zeit und Raum ein. Natürlich muss man da auch mal von Zuhause arbeiten, das hören viele Arbeitgeber nach wie vor nicht gerne – und Teilzeitjobs in der Medienbranche gibt es sehr wenige. Als Gründe werden immer Deadlines und Meetings aufgeführt, für die ganztägige Anwesenheit erforderlich sei. Darüber muss ich immer lachen, denn es wäre so einfach, die Strukturen zu überdenken und anzupassen – aber das ist natürlich unbequem. Und die verängstigten Mitarbeiter machen mit, weil sie den Verlust des Arbeitsplatzes fürchten.  Die Strukturen sind immer noch am alten Familienbild orientiert: Ein Elternteil (meist der Vater) arbeitet, die Mutter bleibt zu Hause, bis die Kinder groß sind. Man müsste die Zeiten für Konferenzen und Deadlines eben anpassen und dadurch Teilzeitplätze schaffen – anstatt zu sagen: Sie wollen täglich ab 16 Uhr im Home-Office arbeiten? Das geht nicht – da ist die Konferenz!”

 

Wie kann man in der Medienbranche gleichzeitig Karriere machen und Kinder groß ziehen?

Es geht schon – aber einer der beiden Bereiche leidet immer. Davon bin ich überzeugt. Entweder hat man zu wenig Zeit  für die Familie – oder die Karriere stockt. Ganz wenige sehr prominente Ausnahmen genießen das Glück, auswählen zu können, welche Jobs sie annehmen – und dann die Bedingungen zu stellen, so dass sich die Produktion nach ihnen richtet. Das ist aber eher die Ausnahme. Alle anderen zerreißen sich zwischen Drehtagen in anderen Städten, die mit dem Kita-Laternelaufen, Kindergeburtstag etc. kollidieren. Ich glaube, dass sich die Einstellung grundlegend ändern müsste. Dass ich als Journalistin oder Moderatorin zu bestimmten Zeiten und an einigen Orten zum Beispiel besser arbeiten und mich auf die Moderation auch zu Hause vorbereiten kann, muss selbstverständlich und normal sein – und darf vom Arbeitgeber nicht als lästiges Übel empfunden werden. Da sind andere Länder schon viel weiter. Meine Schwester lebt in Australien und leitet als Human Resources-Chefin eine große Supermarktkette – Angestellte in ihrer Abteilung dürfen so oft ins Home-Office wie sie wollen – wenn z.B. der Klempner kommt oder das Kind krank ist – so lange sie ihren Job genauso gut machen und die Ergebnisse stimmen.

 Charlotte Karlinder ist bekannt als Fernsehmoderatorin, u.a. bei MTV Germany, ProSieben und SAT.1 Frühstücksfernsehen. Die gebürtige Schwedin ist ausgebildete Rettungsassistentin und Medizinredakteurin. Im Rahmen ihres Engagements setzt sie sich u.a. auch als Peta Aktivistin ein.

Zurzeit findet ihr 35 Unternehmen aus der Medienbranche auf CSR jobs & companies. Bei den Unternehmen handelt es sich um private und öffentlich-rechtliche TV- und Radio-Sender, Produktionsfirmen und Verlagshäuser. 34 der Unternehmen engagieren sich in der Charta der Vielfalt für Vielfalt und Inklusion und nur ein Unternehmen durchläuft den dreijährigen Zertifizierungsprozess des audits berufundfamilie, mit dem man Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf entwickelt und umsetzt.