Integration findet im gemeinsamen Alltag statt

Bis zu 800.000 Flüchtlinge erwartet die Bundesregierung in diesem Jahr und fordert eine Verantwortungsgemeinschaft. Viele Nichtregierungsorganisationen arbeiten bereits seit langer Zeit vor Ort in den Ländern und nun auch in Deutschland mit Flüchtlingen. Stefan Rennicke von CSR jobs&companies sprach mit Kathrin Wieland, Geschäftsführerin von Save the Children Deutschland, über die Integration in Schulen und der Rolle von Unternehmen und Privatwirtschaft bei der Integration.

Liebe Frau Wieland, mittlerweile kursiert in den Medien die Zahl von einer Mio. Flüchtlingen, die bis Jahresende in Deutschland Schutz suchen könnten. Unter ihnen sind viele Kinder und Jugendliche. Was macht ihre Rolle in dieser Flüchtlingsbewegung besonders?

Kathrin Wieland: Save the Children arbeitet seit Jahrzehnten daran, Mädchen und Jungen ein sicheres, gesundes Leben mit Zukunftschancen zu ermöglichen. Wir sind in den Herkunftsländern wie Syrien und in Afrika, Transitländern wie der Türkei, Ägypten, Griechenland, Serbien und Italien und Ankunftsländern wie Deutschland und Schweden aktiv. Durch unsere jahrelange Erfahrung wissen wir, was insbesondere Kinderflüchtlinge am dringendsten benötigen. Sie sind die Verwundbarsten, unabhängig davon, ob sie mit ihren Familien reisen oder alleine. Die unbegleiteten Minderjährigen sind sicher stärker gefährdet. Aber auch die Rechte der Kinder, die mit ihren Familien unterwegs sind, sind nicht gewährleistet: Sie müssen oft bei Wind und Wetter unter freiem Himmel schlafen, leiden an Hunger und Durst und können oft über Jahre hinweg nicht zur Schule gehen. Dazu kommen noch die vielen schrecklichen Dinge, die sie z.T. in ihren Herkunftsländern und dann auch auf der gesamten Reise nach Europa erlebt und gesehen haben. Save the Children ist in den Herkunfts-, Transit- und Ankunftsländern für diese Kinder da. Wir versorgen die Mädchen und Jungen mit Nahrung, Kleidung, Medizin und sorgen für kinderfreundliche Betreuungsmöglichkeiten. Dabei haben wir immer das Wohl der Kinder im Blick. Denn es geht darum, eine ganze Generation so zu unterstützen, dass sie nicht zu einer verlorenen Generation ohne Perspektive, ohne Zukunft wird.

Sie fordern die schnelle Integration der geflüchteten Kinder und Jugendlichen in das deutsche Bildungswesen. Gerade das Schulsystem steht mit der Umstellung auf eine inklusive Bildung bereits vor großen Herausforderungen. Was ist notwendig, um diese neue Herausforderung zu meistern?

Kathrin Wieland: Save the Children liegt die Inklusion natürlich sehr am Herzen. Durch die UN-Kinderrechtscharta, die übrigens maßgeblich auf unsere Gründerin, die Britin Eglantyne Jebb zurückgeht, hat jedes Kind die gleichen Rechte, unabhängig von seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, welche Behinderung es hat – oder welchen Aufenthaltsstatus. Inklusion bringt viele Herausforderungen mit sich, eine der größten ist sicher das fehlende Fachpersonal in Schulen und Kitas. Der führt oft schon ohne die Flüchtlingskinder zu großen Herausforderungen. Es muss aber nicht nur dringend in mehr Personal investiert werden, sondern auch in deren Weiterbildung, denn es ist ein Unterschied, ob ich ein Kind mit einer Behinderung integrieren muss oder ein Flüchtlingskind. Und auch bei Flüchtlingskindern gibt es große Unterschiede, denn es sind – glücklicherweise! – längst nicht alle traumatisiert, viele aber schon. Das Personal muss also in vielfacher Hinsicht geschult sein.

Nicht nur schulische Bildung sondern auch berufliche Bildung ist notwendig, um Integration zu gewährleisten. Auf CSR jobs & companies sind ca. 1000 Unternehmen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und sich auch gerade im Bereich Vielfalt und Inklusion engagieren. Dennoch merken wir vieler orten Ratlosigkeit, wie man sich einbringen kann und was notwendig ist. Wie sehen Sie die Rolle der Wirtschaft bei der Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen?

Kathrin Wieland: Ich bin sehr froh, dass sich große Teile der Wirtschaft ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind, denn der Wirtschaft kommt natürlich eine besondere Rolle zu. Integration findet vor allem im gemeinsamen Alltag statt, also auch gerade am Arbeitsplatz. Einige Unternehmen sind bereits mit guten Beispielen vorangegangen, indem sie Lehrstellen, Schnupperkurse, Praktika oder kostenlose Deutschkurse anbieten. Manche haben sogar vereinzelt Studienstipendien ausgeschrieben. Der Phantasie sind, wie Sie sehen, keine Grenzen gesetzt, und wir arbeiten ständig an neuen Konzepten, denn gemeinsam mit Unternehmen und unternehmensnahen Stiftungen können wir das Leben von Kindern langfristig verbessern.

Vor allem brauchen wir natürlich Finanzierungsmöglichkeiten. Unsere Kooperationspartner unterstützen uns z.B. mit einer finanziellen Projektförderung, Sachspenden, Mitarbeiterengagement, der Bereitstellung von Fachexpertise oder mit Spendenaktionen für Save the Children. Darunter gibt es unterschiedliche Kooperationsmodelle, die von Cocreation-Projekten bis hin zur akuten Nothilfe reichen, von langfristig bis projektbezogen – und zwar auf der gesamten Route: in den Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländern. Save the Children ist eine der wenigen Organisationen, die überall vor Ort ist und Nothilfe leistet sowie langfristige Projekte zum Wohl der Flüchtlingskinder umsetzt.

 

Save the Children zeigt auf CSR Jobs ausführlich, was es ausmacht, für die Organisation zu arbeiten. Das CSR Jobs Profil von Save the Children findet ihr hier. Wenn ihr euch engagieren wollt, könnt ihr die Organisation beispielsweise als Kampaigner unterstützen.

Zur Homepage kommt ihr hier: http://www.savethechildren.de

Foto: Kathrin Wieland in einem Flüchtlingscamp in Jordanien, © Save the Children